Eine lange Reise, welche wir erst um 23.00 Uhr in Papeete antreten, bildet die Vorgeschichte unserer Destination Osterinsel. Der Flieger startet um 02.55 Uhr, landet fünf Stunden später auf Rapa Nui. Hier stehen die Zeiger allerdings bereits auf 12.55 Uhr. Ja, richtig gerechnet, auf fünf Stunden Flug haben wir eine Zeitverschiebung von ebenfalls fünf Stunden, mit dem Resultat, dass wir ziemlich müde ankommen. Christophe empfängt uns aber sehr herzlich und wir fahren mit zwei Autos in unser neues Zuhause. Kurz später sind wir bereits Richtung Stadt Hango Roa unterwegs. Dies ist die einzige Stadt auf der Insel, recht überschaubar, trotz der zahlreichen kleinen Restaurants, Unterkünfte und Supermärkte. Am Hafen sehen wir zwei Wasserschildkröten in Ufernähe und die ersten beiden Moai. Jetzt sind wir angekommen auf einer der einsamsten Inseln der Welt und damit geht ein langer Wunsch von Lisa und mir in Erfüllung. Damals vor 15 Jahren, auf unserer ersten Weltreise, mussten wir diese Destination aus unserem Programm streichen, zu teuer waren nur schon die Flüge. So können wir in der nächsten Woche unsere Traumdestination erkunden und darauf freuen wir uns besonders.
Nach sehr viel Schlaf ziehen wir gegen Mittag los, um den Spuren der Moai nachzugehen. Wir entscheiden Figurenformationen in der näheren Umgebung zu besuchen. Aus der Literatur vernehmen wir, dass diese „Ahnenbilder“ oder „Ahnenabbilder“ aus der Zeit zwischen 1300 bis 1600 n.Chr. entstanden sind. Leider fielen eigentlich alle den Stammeskämpfen wortwörtlich zum Opfer, was bedeutet, dass im Laufe der Zeit alle Moai mit dem Gesicht nach vorne umgestossen wurden. Ursprünglich dienten diese Abbildungen dem Schutz der Dörfer und der Nachkommen. Meist waren es in Stein gemeisselte Figuren, welche Stammeshäuptlinge oder sonst wichtige Personen darstellten. Diese wurden immer auf eine Plattform (Ahu) gestellt. Der Glaube war, dass die Figur(en) zu Dorf und seinen Einwohnern schaute(n) und ihnen Schutz gab(en). Dies erklärt auch das Umstossen der Feinde als Gegenmittel, um diese magischen Kräfte zu durchbrechen. In neuerer Zeit wurden einige Moai wieder restauriert und wenige davon auch wieder auf ihre Plattform gestellt. Die Ahu Akivi wurde durch William Mulloy und Gonzalo Figueroa 1960 restauriert und ist somit die erste Ausgrabung und Restauration, die auf der Insel stattfand. Hier thronen sieben über 4 Meter grosse Moai auf einer Plattform, welche 38 Meter lang ist. Da sich alle Figuren im Design ähnlich sind, lässt darauf schliessen, dass sie gleichzeitig in Auftrag gegeben wurden. Das Faszinierende an Ahu Akivi ist, dass seine Plattform an der untergehenden Sonne während der Tag- und Nachtgleiche im Früh- und Spätjahr – für gewöhnlich am 20. März und am 22. September – ausgerichtet ist. Für die Bauern war es natürlich extrem wichtig, zu wissen, wann sich die Jahreszeiten änderten. Diesen Tag schliessen wir am berühmtestes Platz für Sonnenuntergänge beim originalen Rapa Nui Dorf mit seinen drei Plattformen ab. Das feurige Spektakel der untergehenden Sonne am Nachthimmel ist an Dramatik kaum mehr zu überbieten. Wir stehen da und staunen nur.
Das Zeremonienorf Orongo, welches majestätisch hoch oben zwischen dem Rand des Rano Kau Kraters und den Klippen zu schweben scheint, besuchen wir auf einer einstündigen Wanderung. Diese führt uns zuerst durch einen wohlriechenden Eukalyptuswald hinauf zum Aussichtspunkt auf den Kratersee des Rano Kau. Die Mühen des Aufstiegs machen sich bezahlt. Das letzte Stück des Weges führt auf dem Kraterrand hinüber zum Dorf Orongo. Immer wieder schauen wir hinab zum Kratersee, welcher mit vielen Süsswasserschilf-Inseln bedeckt ist. Auf dem Rundgang durch das wiedererrichtete Dorf Orongo bleibt einem fast der Atem stecken. Hier fallen die Klippen bis zu 300 Meter tief direkt ins Meer hinab. So versteht es sich von selbst, dass dieser Ort mit seiner dramatischen Lage nicht permanent bewohnbar war. Dies vor allem deshalb, weil es keinen direkten Zugang zum Meer gibt und somit die Nahrungsbeschaffung (das Fischen) verunmöglicht wird.
Für die Tour auf den höchsten Punkt der Insel (511 müM), auf den erloschenen Vulkan Terevaka satteln wir vier Pferde. Zusammen mit unserer Führerin geniessen wir den feinen Duft der Eukalyptuswälder und später der weiten Wiesen und Felder. Je höher wir kommen, desto grossartiger wird die Aussicht auf die Insel. Für unseren Ausflug haben wir einen guten Tag gewählt, denn es herrscht eitel Sonnenschein und die Sicht bis in den letzten Winkel der Insel ist hervorragend. Unsere Führerin erzählt, dass es am Vortag die ganze Zeit über geregnet hat. Wir schätzen uns also sehr glücklich. Kurz vor dem Gipfel lassen wir unsere Pferde zurück und gehen zu Fuss die letzten Schritte, bis wir die 511 müM erreicht haben. Die fantastische Aussicht, die Ruhe, die sanften Wiesen und Wälder, das Meer, die vielen Vulkankrater lassen uns einfach nur staunen. Dies hier ist ein ganz spezieller Ort. Auf dem Weg nach unten wählen wir eine etwas andere Route und das Pferd von Céline übernimmt ein wenig den Lead. Als es dann einmal nicht nach jenem Kopf ging, hatte Céline alle Hände voll zu tun, um die entsprechende Richtungsänderung zu bewerkstelligen. Justine hat sich immer mehr mit ihrem Tier angefreundet und strahlend geniesst sie sogar das kurzzeitige Galoppieren. Nach gut zwei Stunden Ritt sind wir wieder auf dem Gehöft zurück und von dort geht es in einem Scenicdrive mit vielen Insiderinfos und –tipps zurück zu den Cabanas Christophe.
Am Nachmittag desselben Tages besuchen wir die Moaiwerkstätte am Fusse des Raro Raraku. Wie es das Guidebuch vorschlägt, besuchen wir zuerst den Steinbruch und schon auf dem Weg dorthin begegnen wir zahlreichen Moai die stillschweigend vor sich hin stehen und meist talwärts schauen. Sie sind in ihrer Grösse und in ihrer Art sehr unterschiedlich, was einerseits klar aufzeigt, dass dies Abbilder von Personen waren und andererseits auch, dass diese in verschiedenen Epochen erstellt wurden. Im gesamten Steinbruch befinden sich mindestens 397 Moai in verschiedenen Stadien der Anfertigung und zweifelslos noch mehrere, die vollständig begraben liegen. Dies macht diesen Ort auch so speziell. Es sieht aus, als kehrten die Arbeiter morgen zurück, um ihre Arbeit wieder auf zu nehmen. Dies gibt dem Besucher eine gute Vorstellung, wie diese Riesen entstanden respektive hergestellt wurden. Die Gesteinsart, gehärtete vulkanische Asche wird Tuffstein genannt, ist ein viel weicherer und leichterer Stein als der Basalt, den man sonst auf der Insel findet und der als Arbeitswerkzeug benutzt wurde. Der Nachteil ist, dass die Konsistenz des Tuffsteins eher weich ist, was in brüchig und anfällig auf Verwitterung macht. Der Steinbruch wurde wohl von allen Stämmen gemeinsam genutzt. Die Figuren wurden anfangs direkt vor Ort in den Stein gemeisselt, auf dem Rücken liegend mit allen Details ausser den Augenhöhlen. Der Rücken der Statue wird vorsichtig, in Form eines Keils vom Felsen gelöst, und der so befreite Moai wird eine Rampe heruntergelassen, wobei man ein System von Seilen und Rollen benutzte. Die Statue wird in eine vorbereitete Grube gesenkt und dort aufrecht hingestellt, so dass die Ausarbeitung des Rückens vervollständigt werden kann. Umgefallene, zerbrochene Moai wurden einfach liegen gelassen, man glaubte, ihr Mana würde verschwinden, wenn sie fallen und zerbrechen. In diesem Fall musste ein neuer Moai angefertigt werden. Oben in den Felsen liegt noch immer der grösste in Bau befindliche Moai. Mit einer Länge von 21 Metern (alleine der Kopf ist 7 Meter) hätte diese Figur über 200 Tonnen gewogen und es gibt keinen Grund zur Annahme, dass dieser Moai nicht dazu gedacht war, vollendet zu werden und zu seiner Plattform Akahanga transporiert zu werden.
Auf der anderen Seite der Felswände steigen wir die paar Treppen hoch und werden mit der Aussicht auf den Kratersee belohnt.
Ein weiteres Highlight bildet der Sonnenaufgang vor den 15 restaurierten und wieder aufgestellten Figuren von Tongariki. Frühmorgens bei Dunkelheit starten wir von der Unterkunft, um diesem Naturschauspiel beizuwohnen. Anfangs ist alles noch dunkel und es ist nicht erkennbar, wo die Figuren stehen, einzig das Meer ist zu hören. Mit der Zeit und der beginnenden Morgendämmerung zeichnen sich 15 verschiedene schwarze Silhouetten am Morgenhimmel ab. Stumm und dunkel und majestätisch stehen sie da. Sie strahlen etwas Mytisches aus. Mit jeder Minute werden die einzelnen Konturen von Gesicht oder Haarschmuck deutlicher und es ist eindeutig zu sehen, dass wir hier 15 verschiedenen Persönlichkeiten von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Dieses Erlebnis zählt zu den ganz speziellen hier auf der Osterinsel.
„Überall ist der himmlische Wind; ringsherum und über einem wird man von grenzenlosem Meer und Himmel, unendlicher Weite und grandioser Stille umgeben. Der Bewohner hier lauscht immerzu und weiss nicht, was es ist, unbewusst fühlend, dass er sich im Vorhof von etwas befindet, das noch gewaltiger ist und gerade hinter seinem Horizont liegt…“ (Katherine Routledge, 1866-1935).
Die wunderbare Morgentour schliessen wir mit einer kleinen Rundreise ab, ja die Insel ist nicht sehr gross. Der Strand von Anakena bietet uns nochmals einen ganz anderen Blick. Die Moai sind schon vom Eingang her hinter einem Palmenwald zu erkennen. Dies ist deshalb so speziell, da es auf der ganzen Insel sonst keine Palmen (mehr) gibt. Hier wähnen wir uns in der Südsee, denn hinter den Figuren liegt der einzige Sandstrand der Insel und das Meer leuchtet türkis.
Dank der Verschiebung unseres Weiterfluges Richtung Santiago de Chile um ganze fünf Stunden, erhalten wir einen weiteren Tag auf der Osterinsel geschenkt. Neu ist der Abflug erst am Abend geplant. Zum Glück können wir bis am Abend das Zimmer behalten und auch das Auto müssen wir erst dann abgeben. Wir besuchen als letztes grosses Highlight den Steinbruch von Pana Pau. Gegen Mittag ziehen wir los zum Steinbruch, in dem die Haarprachten der Moai hergestellt wurden. Diese sogenannten „Pukao“ (Kopfbedeckungen) waren eine spätere Beigabe der Moai-Kultur und es gibt nur ca. 100 Kopfbedeckungen, während es an die 1000 Moai auf der Insel gibt. Keine der früheren Moai erhielt eine Kopfbedeckung, was bedeutet, dass dieser Steinbruch wahrscheinlich erst ab dem 15. oder 16. Jahrhundert benutzt wurde. Der Stein hier ist weiches Vulkangestein mit einem hohen Eisenoxidanteil, wodurch er relativ einfach zu verarbeiten ist (aber auch leicht erodiert) und seine charakteristische rote Farbe erhält.
Man nimmt an, dass die Kopfbedeckungen keine Hüte sind, sondern vielmehr die Haartracht der damaligen Zeit repräsentieren: Langes Haar, das in einem Dutt zusammengebunden wurde – die Ausbeutung der Kopfbedeckung. In der früheren Rapa Nui Gesellschaft war es verboten oder tabu für einige Männer mit hohem Rang, ihr Haar abzuschneiden, daher der Brauch, es lang wachsen zu lassen, eine Mode, der die meisten modernen Rapanuis immer noch anhaften! Keiner der Pukao wurde damals hier im Steinbruch komplett ausgearbeitet. Dies geschah, wie es ebenfalls für die Augenhöhlen Usus war, erst bei der entsprechenden Plattform. Einige der Kopfbedeckungen wiegen gegen die 12 Tonnen, waren also für bis zu 10 Meter grosse Moai bestimmt, welche allerdings noch in Rano Raraku liegen. Oben auf dem Krater geniessen wir die Sicht in denselben, von Steinbruch ist allerdings nichts mehr zu sehen, da alles mit Gras und Kräutern überwachsen ist, Einzig die beiden unfertigen Pukao deuten darauf hin, dass der Haarschmuck hier direkt aus dem Felsen geschlagen wurde. Die Aussicht vom Kraterrand hingegen auf Hanga Roa und alle die grünbewachsenen Kraterhügel ist phänomenal. Auf der Rückfahrt besuchen wir nochmals Ahu Akivi, den Lieblingsort von Céline. So endet unser wunderbarer, unvergesslich schöner Aufenthalt auf dieser Insel, an diesem Ort im Nirgendwo des Pazifiks.
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www.360meridians.ch (Donnerstag, 08 März 2018 17:42)
Rapa Nui - kaum zu toppen!!!
Wir geniessen eure Bilder und schwelgen in unseren Erinnerungen. Sind froh, dass auch ihr die Mystik dieser Insel gespürt habt; ein unbeschreibliches Gefühl.
Muchas gracias und wir freuen uns auf eure Erzählungen,
www.360meridians.ch
Katja (Donnerstag, 08 März 2018 23:12)
Daaaankkeeee. Bin grade auch wieder in die Mystik abgetaucht und schwelge in wunderschönen Erinnerungen!!
Schöne Bilder, hat sich kaum was verändert.
Giacomo (Freitag, 09 März 2018 16:35)
Gerne mehr solcher Bilder!
Küssli